Mittwoch, 27. Februar 2013

Der Gang der Dinge


Die Geschäfte laufen gut.

Frauen und Kinder sind satt.

Wir fragen nach der Zukunft
und erschrecken.

Damit es uns besser geht,
verschenken wir Vermögen.

Was dem Staat gehörte, ist jetzt privat.

Der große Feind scheint bezwungen.

Alles wird teurer.

Dafür besitzen wir i-phones.

Wir sparen, damit wir unsere
Schulden bezahlen können.

Die Beschenkten halten ihre Hände auf.

Wenn sie nicht mehr hungrig sind,
wird es uns besser gehen.

Nur noch eine kleine Kraftanstrengung,
und wir sind übern Berg.

Zinsen machen schlank.

Flachbildfernseher sind billig.

Trotzdem verlieren Menschen ihre Arbeit.

Hätten sie mehr gespart,
ginge es vorwärts.

Wir haben noch Wasser und Luft

zu verschenken.

Unsere Gönner freuen sich.

Sie versprechen uns eine rosige Zukunft.

Ist doch logisch, dass der Aufschwung
noch nicht da ist.

Ist doch logisch, dass es weiter

bergab geht.

Schließlich gibt es noch Beamte
und Sozialhilfeempfänger.

Nur wenn wir weiter marschieren,
kommen wir aus dem Tal.

Irgendwann.

Wir dürfen nur den Glauben
nicht verlieren.

Sonntag, 24. Februar 2013

"Ethnische Säuberung" (1992)


Wir dachten, 
wir bräuchten Unwörter aus Jugoslawien.
Aber die Politiker schufen uns eigene.

Wir glaubten an die Menschenwürde
und tauschten sie gegen das Eigentum.

Wir fielen durch die Maschen des Anstands
und klopften uns gegenseitig auf die Schultern.

Nun tragen die Scheiben Risse,
und wir meinen, 
sie stammten aus der Vergangenheit.

Wenn es soweit ist, 
schieben wir die Schuld auf Andere.

Die Zeit verstreicht,
und wir werfen ungerührt Steine.   

Freitag, 22. Februar 2013

"Überfremdung" (1993)


Ein Schwabe in Berlin
Ein Kommunist in Wien

Ein Armer in Zermatt
Ein Schwuler in Bagdad

Sie sind den Menschen fremd
Sie liegen nicht im Trend

Man stößt sie aus der Zeit
Man geht zuweilen weit
          denn sie sind unerwünscht


Der Schwabe spendet Geld
Dem Kommunist gefällt's

Wer arm ist, bittet drum
Des Schwulen Zeit ist um

Was fremd ist, irritiert
Das Fremdeln expandiert

Wir wandeln durch die Zeit
Wo Misstrauen gedeiht
          da sind wir unerwünscht

Dienstag, 19. Februar 2013

Böse Plagiate


Ich führe ein Verfahren gegen Sophokles,
er stahl mir ohne Rücksicht die Gedanken.
Ich las all seine Bücher und erkannte es:
Sein Weltbild käme ohne mich ins Wanken.

Der zweite Dieb war Römer und hieß Seneca,
er unterließ, mich sorgsam zu zitieren.
Sein Schrieb war kaum bedeutsam, doch sein Raub ging nah.
Ich will dagegen mutig insistieren.

Schon Heinrich Heine predigte in meinem Ton.
Den Eigensinn will ich ihm gern verzeihen.
Vielleicht krieg ich dafür am Ende meinen Lohn,
dann würde meine Saat mir noch gedeihen.

Den Fürst der Freude nennt der Dumme Epikur,
dabei stammt sein Gewäsch aus meiner Feder.
Die allerbesten Denker plagiierten nur,
warum gerade mich erahnt wohl jeder.

Mit Fußnoten erklimmt der Doktor manchen Berg.
Je mehr, je besser, denn das zeugt von Wissen.
Belesenheit erhöht den Wicht zum Gartenzwerg,
wer nie zitiert, wird dies Zitat bald missen.




Montag, 18. Februar 2013

Revolution


Schon Musik schien ihnen gefährlich.
Sie kontrollierten die Worte,
den Klang und die Gedanken.
Nur wenige ahnten etwas davon.
Das Leben ging weiter, als wäre
nichts geschehen. Wären
wir aufmerksamer gewesen, hätten
wir das Schlimmste verhindert.
Aber wir schliefen. 

Sie schliefen nicht.
Sie ließen sich beschenken
und nahmen sich, was sie brauchten.
Als die Not kam, zeigten sie
mit den Fingern auf uns.
Den Kleinen raubten wir
das Letzte, die Großen 
ließen wir gewähren.
Und wir schliefen.

Die Welt wurde kälter
und grauer. Dann stießen
sie uns in den Schmutz, 
zu unseren Geschwistern.
Wir erwachten geschlagen, während
ihre Knechte uns verhöhnten.
Scheinbar blieb uns keine Chance.
Ihre Macht wirkte lähmend -
aber wir waren viele.

Gier und Eitelkeit lullten sie ein.
Sie schwammen im Geld
und lenkten unsere Geschicke.
Nachts aber schliffen wir unsere
Klingen und schmiedeten Pläne.
Neue Anführer schwangen
sich empor und trieben die
Meute aufs Schlachtfeld.
Ihre Opfer schliefen.

Wir traten ans Licht und
löschten Lichter. Die Furcht
der Anderen kam zu spät.
Sie krochen auf Knien,
sie winselten um Gnade,
aber alles, was sie getan
hatten, fiel auf sie zurück:
Augen um Auge,
Zahn um Zahn.

Unseren Anführern gefiel 
ihre neue Macht. Schon Musik
schien ihnen gefährlich.
Sie kontrollierten die Worte,
den Klang und die Gedanken.
Nur wenige ahnten etwas
davon. Wir schliefen wieder
und ließen sie gewähren.
Sie aber schliefen nicht.   

Samstag, 16. Februar 2013

"Opfer-Abo" (2012)


Das Opfer geht dem Täter an die Kehle,
in der Nacht.
Da zittert er im Grunde seiner Seele
und erwacht.

Er sieht an seinem Hals noch rote Striemen -
wie im Traum.
Durch Gitterstäbe dringt ein fahler Mondschein
in den Raum.

Das Blut an seinen Händen brennt wie Feuer,
glüht und schmerzt.
Im Alpdruck sticht der Nachgeschmack der Reue
in sein Herz.

Er denkt an seine Taten, reflektiert, 
was ihm geschah.
Das Wimmern kalter Stimmen, irritiert,
und kommt ihm nah. 

Er lebte von den Tränen seiner Opfer,
bis zuletzt.
Nun kauert er am Boden seiner Zelle,
wirkt gehetzt.

Zwei Tage streichen bis zu seinem Ende
noch dahin.
Er hofft, was er getan hat, gibt dem Tode
einen Sinn.

So grausam, wie die Rache seinen Abgang
inszeniert - 
so hat er sich am Ende seine Oper
abonniert.


Dienstag, 12. Februar 2013

"Döner-Morde" (2011)


Döner-Morde
Braune Horde

Schöne Worte
Sachertorte

Große Hürde
Menschenwürde

Oft geschehen
Nie gesehen

Stetig leiden
Krieg vermeiden

Menschen gehen
Fahnen wehen

Schwere Bürde
Letzte Hürde

Klang der Sprache
Schöne Sache

Niemals wieder
Böse Lieder

Blick verloren
Nie geboren 

Böse Orte
Ohne Worte

Braune Horde
Döner-Morde

Montag, 11. Februar 2013

"Alternativlos" (2010)


Weg der Wahrheit, Weg der Weisheit,
Weg zur reinen Effizienz,
Weg des Booms banaler Klugheit,
Weg zur letzten Konsequenz:

Du allein verheißt uns Fortschritt!
Du allein gewährst uns Glück!
Jeder unbedachte Fehltritt,
fällt auf uns wie Gift zurück!

Hell erstrahlt die reine Lehre,
Wohlstand quillt aus ihr empor.
Kommt das Hirn uns in die Quere,
steht uns großes Leid bevor:

Drangsal, Not und Altersarmut
spülen die Bedenken weg.
Wer sich mit dem Glauben schwer tut,
wälzt sich bald schon nackt im Dreck.

Regeln müssen fügsam fallen, 
Eigentum beherrscht das Land.
Milliardäre helfen allen,
selbst dem Schuft vom tiefsten Stand.

Gerne zahlen wir die Schulden,
die der Zins erschaffen hat.
Wir sind gut im Prügel dulden,
wittern niemals Hochverrat.

Nur der eine Weg führt vorwärts,
er allein ist marktkonform.
Eilt ins Nichts und stolpert talwärts!
Jeder bläst ins selbe Horn.

Freitag, 1. Februar 2013

"Betriebsratsverseucht" (2009)


Niemand entkommt dem Dekontaminierer.
Er ist im Auftrag von Molocha unterwegs.
Fremdkörper verseuchen das Unternehmen
und hemmen es in seiner Entwicklung.
Bevor er das Areal untersucht, schnallt er
sich ein „Intelligentes Wirksystem“ auf
den Rücken. In seiner Schutzkleidung erinnert
er an einen Astronauten, der sich im
Planeten geirrt hat. Durch den Atemschutz
dringt das gleichmäßiges Rasseln des
Aircleaners, ein Geräusch, das ihn gleichzeitig
besänftigt und zu Höchstleistungen anspornt.

Während er die Treppen empor klimmt,
malt er sich aus, wie er sein Wirksystem
einsetzen wird. Dabei löst er das Schlauchende
vom Rucksack und prüft die Messanzeige des
Garbage-Analyzers. Das Gerät lotst ihn zum 
dritten Stock, wo sich etliche Störer eingenistet
haben sollen. Unterwegs erntet er aufmunternde
Blicke von leitenden Angestellten. Eine
Jungmanagerin hebt den Daumen und
zwinkert ihm zu, als wollte sie ihn auf ihre
Freundesliste setzen. Danach stakst sie mit
wehendem Haar weiter ins Büro.

Der Dekontaminierer fühlt sich willkommen.
Berauscht von seiner Mission begibt er sich 
in den "betriebsratsverseuchten" Quadranten. 
Er liebt das schmatzende Geräusch seiner 
Gummisohlen auf Linoleum. Der Garbage-
Analyzer erkennt drei Mitarbeiter, die sich 
im Großraumbüro um den Kaffee-Automaten 
scharen. Sie meckern über das Lohngefälle 
zwischen Management und Kundenberatung.  
Als der Dekontaminierer sich zu ihnen gesellt, 
blickt er in überraschte Gesichter. Ein Stoß aus 
seiner Staubkanone beseitigt alle Probleme.

In der nächsten Viertelstunde geht es Schlag
auf Schlag. Der Garbage-Analyzer spürt 
die Störer in den verstecktesten Winkeln auf:
Jede subversive Regung erstickt in einem
Nebel aus Giftstaub, während die willigen 
Elemente jubeln. Nach ihm wird Stille einkehren
denkt sich der Dekontaminierer, aber die Zukunft
der Fleißigen ist gesichert. Er hält den Schlauch
unter den Schreibtisch, wo sich die abtrünnige
Chefsekretärin verschanzt hat. Als er sie 
neutralisiert, denkt er schon an seinen nächsten 
Auftrag: "Flüchtlingsbekämpfung" in Italien.

Betriebsrat, Gewerkschaft, Unterdrückung, Intelligente Wirksysteme, Flüchtlingsbekämpfung